Es geht nicht darum dem Leben mehr Tage zu geben,
sondern den Tagen mehr Leben
– Cicely Saunders
Am letzten Wochenende habe ich einen Workshop zum Thema „Mindful Meditation“ besucht.
Nein, kein Hokuspokus. Es ging ganz pragmatisch zu.
Du kennst mich doch. Ich bin etwa so spirituell wie ein Staubsauger.
Der deutsche Name der Technik gefällt mir daher auch wesentlich besser. Da heißt es nämlich schlicht „Achtsamkeitsübung“.
Ganz unspirituell und trocken. Genau das Richtige für mich.
Um was es geht, kann ich Dir ganz schnell an einem einfachen Beispiel erklären.
Falls Du mich mal auf Reethi Beach besucht hast, erinnerst Du Dich bestimmt an den Steg hinter der Tauchschule.
Genau den bin ich jeden Tag circa vier bis sechs mal auf- und abgelaufen, und vermutlich noch zweimal dran vorbei geschwommen.
Irgendwann wollte mich jemand an den mittleren Treppen dieses Steges treffen. Nur dass mir bis zu diesem Zeitpunkt niemals aufgefallen ist, dass der Steg überhaupt Treppen hat.
Damals habe ich bereits ein halbes Jahr auf Reethi gearbeitet.
Sechs Monate, á 26 Arbeitstage, also 156 Tage, die ich diesen Steg auf und abgelaufen bin, im Schnitt 5 mal täglich, macht nach Adam Riese etwa 780 „Stegläufe“.
Ich bin also 780 mal drüber gelaufen, ohne auch nur ein einziges Mal zu bemerken, dass er beidseitig Treppen hat.
Krass oder?!
Und ich bin fast sicher, dass es Dir auch manchmal so geht. Vielleicht mehr oder weniger heftig, aber ich denke, wir sind da alle gleich – gleich schlimm.
Warum?
Weil wir permanent in Gedanken sind.
In diesen 780 Gängen über den Steg, war ich vermutlich 390 Mal in ein Gespräch mit Kollegen oder Gästen vertieft. Und die übrigen Male, war ich wahrscheinlich gedanklich schon im Briefing das ich gleich geben würde, hab mich über irgendjemanden geärgert, mir überlegt, welche Skills ich mit meinen Schülern noch machen muss und so weiter und so fort….
Und die Strecke wurde im Blindflug zurückgelegt, via Autopilot.
Genau das Gleiche, was Dir jeden morgen auf dem Weg zur Arbeit passiert. Oder beim Zähneputzen. Oder wenn Du vor dem TV Dein Abendessen isst.
Jeder von uns ist non stop in seinem Kopf – in seiner eigenen kleinen Welt unterwegs.
Wir sind fast nie wirklich im „jetzt“ anwesend. Meistens sind wir mit unseren Gedanken entweder in der Vergangenheit, bei etwas was uns immer noch beschäftigt, oder schon in der Zukunft, bei etwas was wir tun werden. Aber die Gegenwart geht verloren.
Schau Dich das nächste mal um, wenn Du in ein Restaurant kommst. Die Leute sitzen an ihren Tischen: Vor ihnen Getränke, Essen und Handys. Es wird im Handy gechattet, mit dem Gegenüber erzählt, das Frühstück gegessen, der Kaffee getrunken und vielleicht sogar noch auf ein Kind aufgepasst.
Aber was hat die Person nun eigentlich wirklich gemacht? Von den fünf Dingen nämlich gar nichts.
Weder wurde das Essen bewusst aufgenommen, noch ernsthaft ein Gespräch verfolgt. Nicht online und auch nicht offline.
So geht das die ganze Zeit. Wir machen 1000 Dinge, von denen wir 300 direkt wieder vergessen.
Das hat nichts mit fortschreitender Demenz zu tun, jedenfalls bei den meisten nicht, sondern es liegt daran, dass wir einfach nichts bewusst machen.
Und damit will ich aufhören.
Weg vom Multitasking – hin zur Achtsamkeit
Die Lösung für dieses Problem und unsere andauernden Blindflüge heißt Achtsamkeit. Oder Mindfulness, weil das cooler klingt.
Ich beschäftige mich schon ein paar Wochen damit und habe auch schon ein gutes Buch dazu gelesen (den Link findest Du unten, falls es Dich interessiert).
Darin werden simple Übungen erklärt, die man täglich machen soll(te), und die einen innerhalb von nur zwei Monaten aus dem Dauer-Autopilot rausholen. Also achtsam in acht Wochen.
Ich hab die Übungen, selbstverständlich, nicht so oft gemacht wie man sollte, auch wenn ich gerade die Zeit hätte. Aber immerhin habe ich geübt, nur halt nicht jeden Tag zweimal.
Tja, weil… Du kennst mich ja…ich und Meditation? *HaHa*
Ich bin ja nicht so der Chi-Gong-Typ. Ich bin eher für’s Kung-Fu zuständig, weißte?!
Aber das Gute ist, dass es bei den Achtsamkeitsübungen ganz bodenständig zugeht.
„Mindfulness“ bedeutet z.B. konzentriert zu essen. Sein Essen anzusehen, zu riechen, zu schmecken, zu kauen und zu schlucken.
Wie oft kaue ich bewusst?
Normal jage ich, während ich den einen Bissen kaue, mit der Gabel schon den nächsten.
Außerdem kannst Du auch bewusst duschen, Zähne putzen, kochen, oder Auto fahren. Im besten Fall machst Du einfach alles aufmerksam.
Aber dafür müssen wir weg vom Multitasking.
Während es in den 90er Jahren noch die „Superpower“ schlechthin war, geht der Trend schon längst in die andere Richtung. „Konzentration“ und „Fokus“, aka „Mindfulness“ stehen heute im Workshop Trend ganz oben. Und zwar nicht nur im spirituellen Bali, sondern im Silicon Valley und all den anderen Plätzen, wo die schlauen Leute kreativ werden.
Denn letztlich sind wir weder schneller noch effektiver, wenn wir fünf Sachen gleichzeitig machen. Sondern wir machen Fehler, vergessen viel zu viel und sind unkonzentriert.
Das ist die Kurzfassung der Theorie aus meinem Kurs am Samstag, den ich übrigens im Desa Seni gemacht habe. Neben dem theoretischen Teil haben wir dann noch verschiedene Meditationstechniken ausprobiert.
Im Prinzip geht’s nur darum, dass man eben die eine findet, mit der man klar kommt.
Egal welche.
Die Atem-Meditation
Dabei, wie sollte es anders sein, konzentrierst Du Dich auf Deinen Atem.
Einatmen-Ausatmen-Einatmen
und so weiter. Immer wenn ein Gedanke aufkommt, realisierst Du ihn und führst Deine Konzentration zurück auf die Atmung.
Das hat bei mir eigentlich ganz gut geklappt. Für 5 Minuten – aber immerhin ein Anfang.
Die Mantra Meditation
Sie ist besonders für Anfänger geeignet, da man seinen Geist beschäftigt hält und dadurch weniger abgelenkt ist.
Eigentlich kannst Du, laut oder tonlos, wiederholen was immer Du willst. Es muss kein Sanskrit oder sonst irgendwas schickes sein, was Du nicht verstehst.
Sei kreativ! Überleg Dir was.
„Ich will Schokolade-jetzt gleich!“ wäre jetzt vielleicht nicht gerade der beste Ansatz, aber z.B.
„ich bin gut“ oder „ich kann das“.
Ich hab übrigens: „believe in yourself“ vor mich hingeträllert. Feine Sache.
Die Visualisierung
Die einfachste Form der Visualisierungsmethode ist angeblich, sich eine Farbe vorzustellen und sich nur darauf zu konzentrieren.
Easy! Hab ich gedacht: Think pink!
Von wegen. Mein Geist hat mich auf einen LSD Trip vom Feinsten geschickt. Mit der gedanklichen Achterbahn ging’s quer durch den Farbkasten. Aus pink wurde rot, wurde blau mit grünen Rauten, die auf mich zu geflogen sind…oOoOoO
– und nein, es wurde wirklich nichts geraucht vor dem Worksphop!!! Versprochen.
Diese Erfahrung war äh…halluzinogen und hat nicht so gut geklappt. Für mich.
Aber vielleicht läuft’s bei Dir auch besser. *hehe*
Meditation mit offenen Augen
Bei dieser Meditation schaut man einfach vor sich auf den Boden, auf einen Fleck und konzentriert sich auf seine Atmung.
Nur, dass es halt nicht einfach ist.
„Oh. Ein Mosquito -juck- Mist hat mich gebissen.“
Einatmen-Ausatmen.
„Wenn das jetzt ein Dengue-Mosquito war, und ich mir jetzt noch ein Fieber einfange“
Einatmen-Ausatmen. Konzentrier Dich.
„Dann müsst ich hier noch ins Krankenhaus. Was ein Scheiß“
Kon-zen-trier-Dich. Einatmen – Ausatmen
„Hab ich überhaupt ne Reise-Krankenversicherung?“
Wie Du siehst hat es überhaupt nicht geklappt.
Gehende Meditation
Heißt bewusst „gehen“. Die Füsse spüren, den Boden spüren, die Bewegungen wahrnehmen.
G-A-N-Z f**** L-A-N-G-S-A-M.
Ich bin dabei fast umgefallen (soviel zum Thema Balance). Langsam gehen wird gnadenlos unterschätzt. Krasser Scheiss!
Ist aber eine gute Übung, gegen den Blindfug. Dabei siehst Du dann auch bestimmt die Treppen am Steg, oder fällst sie alternativ runter.
Metta Meditation
auch bekannt als „loving-kindness“ oder „liebende Güte“.
Dabei geht es darum anderen und sich selbst positive Energie zu schicken.
Nebenbei bemerkt, bin ich mir ziemlich sicher, dass man weder positive Vibes senden, noch empfangen kann, aber ich denke die Übung ist psychologisch trotzdem echt gut.
Denn wenn mir jetzt einer so richtig auf den Sack geht, wünsche ich ihm einfach den Tod,
aber ich werde mich bestimmt viel besser fühlen, wenn ich ihm zukünftig statt dessen Glück, Friede und keine Leiden wünsche.
Ich werde es auf jeden Fall versuchen!
*Tschakkkkkaaaaaaa!!!*
Also, wie Du siehst, bin ich nach wie vor, weder besonders talentiert, noch besonders empfänglich, für sensible Aktivitäten und schon gar nicht für Meditation.
Aber ich gebe mein Bestes. Es geht ja schließlich um meine eigene Lebensqualität, die dadurch zunimmt. Zumindest die Nummer mit dem achtsam essen und das bewusste Erleben schöner Momente, klappt schon richtig gut.
Sehr wahrscheinlich werde ich niemals friedvoll wie der Dalai Lama stundenlang in meiner Meditation versinken, aber das macht nichts.
Denn schließlich lautet sein Titel nicht umsonst „seine Heiligkkeit“ und meiner nur „Frooolllein!!“
Das ist übrigens der Link zum Buch:
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- Echte Liebe – Grossfisch auf den Philippinen
Anna says
Liebe Lena,
dass freut mich sehr, dass du nun einen Einblick bekommen hast von dem was ich dir jahrelang immer mal wieder an’s Herz legte…Nach dem Motto: “Komm geh doch mal mit und schau es dir an“…usw…aber du hattest damals kein Ohr dafür, was vollkommen in Ordnung ist.
Jetzt hast du das “Achtsamkeitstrainig“ mitgemacht und das finde ich ganz toll, für Dich! Denn bewusst zu Leben im “Hier und Jetzt“…ist auch gar nicht so einfach und man fällt immer wieder in alte Verhaltensmuster 🙂
Und weißt du was, da ich ja zurzeit mehr oder weniger an’s Haus gefesselt bin, hab ich mich vor einigen Tagen dem “Achtsamkeitskongress“ geleitet von Ribel Pavan und vielen anderen großartigen Coaches, verschrieben und es tut so gut…kann dass alles was du so “wunderschön“ erklärt und be-geschrieben hast, nur unterschreiben. Mit Achtsamkeit durch’s Leben gehen … das ist so ein gutes Gefühl und wenn man dann, wie du, die Menschen daran teilhaben lässt, finde ich das ganz toll!!! Ein toller Beitrag meine Süße, ganz, ganz toll… :-*
Leenah says
Vielen lieben Dank für Dein positives Feedback! Hab mich echt gefreut!
Der Kongress klingt ja interessant.
War das online?
Anna says
Ja online…dachte ich hätte es dazu geschrieben…siehste mal wie Unachtsam 😀
Leenah says
ich glaub ich les nochmal durch, was Du geschrieben hast – und gucke wer da unachtsam war 😀
Hans says
Hallo Ihr beiden,
dann gebe ich meinen Senf auch noch dazu. ,-)
Mittlerweile bekomme ich ernsthafte Zweifel an meinem IT Job. Immer mehr Informationen und immer schneller. Ich denke: “Wir umgeben uns mit soviel Technik um Zeit und Arbeit zu sparen und doch hat keiner Zeit und fast alle hetzten von einem Termin zum nächsten”. Wenn ich mit dem Auto zur Arbeit fahre, spare ich ca. 10 – 20 Minuten. Hängt von den Beinen ab. 😉 Fahre ich morgens mit dem Rad, höre ich die Vögel singen, sehe die Sonne aufgehen, rieche das frisch gemähte Gras. Mein Kopf schaltet ab, ich höre in meinen Körper und spüre eine Kraft. Weiß nicht wie ich es beschreiben soll. So geht es mir auch ähnlich, wenn ich / wir mit unseren beiden Labbis im Wald unterwegs sind.
Und Annette missioniert mich immer erfolgreicher, etwas langsamer zu machen und die Prioritäten auf das Leben zu richten. Das ist gut so.
Ich denke auch Lena, dass du solche Eindrücke beim Tauchen hast. Ruhe um dich und ein Schweben im Wasser. Die Fische.
Jedenfalls hast du da wieder einen tollen Blog geschrieben. Habe bisher nur das erste Drittel gelesen. Geht aber gleich weiter.
Das musste ich jetzt mal schreiben.
Grüße
Hans
Leenah says
Danke Hans 🙂
Ich glaube, so geht es in der heutigen Zeit zum Glück (!) immer mehr Menschen.
Habe gerade einen IT-Spezi kennengelernt, der seine eigene Firma derzeit zurück gelassen hat, weil er nicht mehr weiß, ob es das wirklich ist.
Derzeit ist er hier in Bali und überlegt sich, wie es weitergehen soll.
Wenn man mal davon ausgeht, dass man nur ein einziges Leben hat, ist es unendlich traurig zu erkennen, wieviel Zeit man einfach so “verrannt” hat.
Aber ja, das Tauchen gibt mir genau das 🙂
Von daher kann ich mir auch ganz genau vorstellen, wie es für Dich auf dem Rad ist. Ist eben auch ein Sport, wo es nicht nur auf das “Sportgerät” und die Aktivität selbst, sondern auch auf die Natur ankommt.
Back to basic and feel the nature!
Hanna says
Ganz wunderbar geschrieben, Lena 🙂 Danke Dir!
Ich kam vor einem Jahr über das Buch ‘wenn alles zusammenbricht’ von P. Chödrön zum Thema Meditation und Achtsamkeit… Beim Lesen ertappt man sich selbst 🙂
Was ich dir aber sehr gern als Lesetipp mitgeben möchte ist ‘Das Cafe am Rande der Welt’ von John Strelecky…. einfach und trotzdem zumindest für mich so eindringlich 🙂 Indirekt ist es alles das Gleiche – die Wertschätzung von sich selbst und dem Umgebenden !
Leenah says
Liebe Hanna,
vielen Dank für den Tipp.
Das kommt doch direkt auf meine Leseliste.
Ich liiiiiiieebe Buchempfehlungen.
Liebe Grüße
Lena