Verseucht mir meinen Garten mit Schwefeldioxyd, vernebelt mir die Sinne,
bis man nichts mehr sieht, baut mir durch die Küche noch ‘ne Autobahn,
schneidet mir die Haare, und zieht mir doch den Zahn.
Und wenn es wirklich nötig ist, dann will ich nicht so sein,
dann lagert noch Plutonium in meinem Keller ein.Aber eins kann mir keiner, eins kann mir keiner,
eins kann mir keiner nehmen, und das ist die pure Lust am Leben.Die pure Lust am Leben – Geier Sturzflug
Am 19.08. begannen für mich, ganz offiziell, die besten 10 Tage in diesem Jahr.
Denn da kam meine Mama hier auf Bali an.
Und vor uns lag ein kompletter Urlaub mit massig Mama-Lena Quality Time.
Was also tun, mit soviel Zeit und grenzenloser Freiheit auf Bali?
1. Stopp: Reunion in Canggu
Unspektakuläre 1,5 Tage zum Eingewöhnen und Mama stolz meine balinesische Butze zu zeigen.
Gestatten: mein Zimmer, mein Pool, mein Roller und meine verrückte Nachbarin.
Über Götter, Störenfriede und den toten Opa
Auf der Fahrt nach Ubud erklärte uns mein Lieblingsfahrer, Roller-Vermieter und Bali-Mann für alle Fragen ausführlichST alles, was man über die balinesische Kultur wissen muss.
Einmal „Balinesisch Leben für Dummies“
1) Stichwort Reinkarnation: man wird immer in der gleichen Familie wiedergeboren.
Und zwar immer als Mensch.
—> D.h. sein Opa ist jetzt sein Sohn. ‘Nicht lachen’.
2) wenn man keine Kinder hat, dann landet man in der Familie seiner Geschwister
—> die gute Nachricht: Ich werde nicht auf einem seelischen Müllhaufen landen, nur weil ich zu Lebzeiten das Besteigen des „Pregnant-Hills“ verweigert hab. ‘Yeah!’
—> die schlechte Nachricht: es bleibt nur zu hoffen, dass meine Schwester sich nicht der 1-Kind Politik anschließt, denn sonst sieht es nämlich nicht mehr gut für mich aus.
3) Reinkarnation kann nur dann stattfinden, wenn der Körper des Toten noch nicht verbrannt wurde.
—> Daher werden die Toten zunächst beerdigt und nach zwei Jahren, denn bis dahin sollte die Reinkarnation abgeschlossen sein, wieder aus der Erde rausgezauselt.
Die Reste werden dann verbrannt und auf dem Meer verteilt.
‘Kein Witz, sondern todernst’. Und ja, ich bin mir der Ironie bewusst.
4) Viele Götter bedeuten viel Stress. Daher müssen während einer großen Zeremonie gleichzeitig rund ums Dorf viele kleine Zeremonien abgehalten werden, die ausschließlich dazu da sind störende Götter von der großen Zeremonie abzulenken.
Also praktisch die Querolanten in Schach zu halten, damit bei der großen Party alles klar läuft.
2. Stopp: das spirituelle Zentrum Balis – Ubud
Neben vielen Gemeinsamkeiten unterscheiden Mama und ich uns in einem ganz wesentlichen Punkt:
Ich bin Backpackerin und meine Toleranz in Sachen Unterkunft ist…
naja, nennen wir sie einfach mal „schmerzfrei“.
Mama hingegen reist mit Koffer. Und Ansprüchen.
Demzufolge ging mir der Po auf Grundeis bei der Planung unserer Reise. Sie hätte mir definitiv und gnadenlos den Gar ausgemacht, wenn die Unterkunft ohne Strom oder mit Salzwasser-Dusche gepunktet hätte.
Naja Scherz, aber Du weißt ja, was ich meine.
Irgendwie hab ich dann aber in nackter Angst, online, einen sehr geilen Deal „erklickt“ und wir bezogen das noble „Kori Ubud Resort“ für einen Appel und ein Ei.
‘Fein, wie ich kann!’
Ansonsten leuchtete für uns der Stern des Shoppings hell am Firmament über Ubud.
Man soll ja schließlich immer das machen, was man am besten kann.
Zum rein gehässigen Entertainment sind wir um „Coffee o-clock“ ins „Yoga Barn“ eingekehrt.
Dort wird dem geneigten Betrachter nämlich eine umfangreiche und gleichzeitig schaurige Sammlung an „zu-Hause-Manager-im-Urlaub-Yogis” dargeboten.
Wir hatten sogar das besondere Vergnügen diese krasse Spezies beim „ekstatischen Tanz“ beobachten zu dürfen. In vollständiger Naturvölker-Verkleidung. Also die Männer als Krieger, die Frauen als Feen und so.
Mit Federn auf den Köpfen, Kriegsbemalung in den Gesichtern und Zauberstäben in den Händen.
‘Echt jetzt’.
Wir sind allerdings vor der, vermeintlich, anschließenden Orgie wieder abgedampft.
3. Stopp: Der vergessene Norden Balis – Tejakula Village
Zum Glück waren wir auf einer halbherzigen Diät und haben deshalb vor der Abfahrt in Ubud nichts mehr gegessen.
Gut, denn sobald man aus Ubud rausfährt beginnen die Serpentinen. Zwei Stunden non stop,
bis auf 1665m nach oben – und auf der anderen Seite wieder runter.
Ich bin ja hart im Nehmen, Boote und stürmische See machen mir nichts aus, aber diese Straße war Horror.
Winzig schmal, ohne seitliche Begrenzung, immer mit dem Außenrad direkt am Abhang.
Und permanent Gegenverkehr.
‘Rumpel die Pumpel, weg ist der Kumpel – holter die Polter, da unten rollt er…
’
Und Vorfahrt hat immer der mit der lautesten Hupe.
Das Gaia-Oasis
Auf eine Empfehlung hin hab ich das „Gaia Oasis“ gebucht.
Ohne Übertreibung eines der schönsten Hotels, in denen ich je gewohnt habe.
Direkt am Meer, total idyllisch und großzügig. Die Yoga-Stunden sind inklusive und das Beste: es ist wirklich günstig.
Was mir allerdings bei der Buchung niemand gesagt hat ist, dass es eigentlich ein Retreat ist.
Sprich, außer uns schon wieder nur Erleuchtete!
Wir waren die einzigen, die durch das Resort laufen mussten.
Alle anderen konnten nämlich fliegen. ‘Krasser Scheiss!’
Der erste Abend war komplett enttäuschend. Denn neben vegetarischem Essen überzeugte das Hotel durch das nicht-vorhanden-sein einer Bar. Und ab 20 Uhr Totentanz, alle in die Falle.
Daher zogen wir, trotz traumhaftem Zimmer am schwarz-glitzernden Strand, nur ein paar Stunden nach der Ankunft in Erwägung wieder abzureisen…
ja, bis wir…den kleinen, vernachlässigten Kühlschrank mit Alkohol entdeckten!
Ab dann waren wir zufriedene Selbstversorger.
Die haben sicherlich hinter unseren Rücken über uns gelästert, so wenig erleuchtet wie wir sind, und das an so einem sakralen Ort.
‘aber dat macht uns nix’.
Wäre schließlich nicht nicht das erste und auch bestimmt nicht das letzte Mal, dass uns das passiert.
Tempel, Geschrei und Opfer-Messen
Tejakula Village ist berühmt für seine einzigartige Kultur. Bali ist gar nicht so wahnsinnig groß, aber jede Gegend hat trotzdem ihre eigenen Bräuche, Rituale und Traditionen.
Daher legte man uns im Hotel ans Herz, unbedingt zu so einer Zeremonie in den Tempel zu gehen.
Also ummantelten wir brav unsere großen Hintern mit bunten Sarons (neu gekauft in Ubud!!!) und fanden uns am Parkplatz vor dem Hotel ein. Unser Guide war der Lehrer der Grundschule, und kam auf einem Roller angefahren.
Nur, das Letzte was ich wollte, war dass meine Mama auf einem Roller fährt.
‘OMG!’ Ich sag Dir, ich hab auf dem hinteren Roller geschwitzt!!!
Jedesmal wenn wir um eine Ecke gebogen sind hab ich gehofft, dass der Scooter, auf dem sie unterwegs war, nicht irgendwo auf der Straße liegt…
‘und ich einen Liegendtransport nach Deutschland organisieren muss’
Hello, mei näm is Lena from Görmänie.
Kän ju plies flei mei maam hoom?
Bat schi häs tu lai daun in jur ärplän…
No, no schi is not däd. Onli dämätscht!
Mitten im Dschungel, also wirklich am Arsch der Eller, war der Tempel.
Ich erspar Dir jetzt die epische Breite der Veranstaltung und sag nur soviel:
Nämlich dass ich von Anfang an ein echt schlechtes Gefühl hatte, als sie das gefesselte schwarze Hühnchen an den Altar brachten.
Aber dann versuchten sie ihm, wirklich völlig dilettantisch, mit einer stumpfen Machete den Kopf abzusäbeln, was minutenlang nicht funktionierte. Bis sich irgendwann einer erbarmte drauf zu schlagen und den Kopf abzuhacken. Ganz. harter. Stoff.
Das Hühnchen ist dann übrigens noch erstaunlich lange ohne Kopf im Kreis gerannt.
Aber keine Details.
Alles akkustisch untermalt von einer wahren Kakophonie und jeder Menge teuflischem Geschrei.
Mama hat sich dann geopfert, fürs Team, und einen schwachen Kreislauf vorgetäuscht, damit wir bereits vor Ende dieser okkulten Messe wieder weg kamen.
Tanzende Kinder und die Summe der Missverständnisse
Nach der Opfer Zeremonie wollten wir der balinesischen Kultur nochmal eine Chance geben.
Aber dieses Mal defintiv was Softeres!!!
Also ging’s auf einen Ausflug zu einer Tanz-Akademie.
In der Erwartung, dass dort kleine, süße balinesische Kinder, auf ihren winzig kleinen Füßen, in bunten Kostümen tanzen würden.
Stattdessen hatten wir die Ehre die berühmteste Tänzerin Balis, eine 78 jährige Diva, zu treffen.
Der wir Fragen stellen durften, aber leider keinen blassen Schimmer hatten was wir sie eigentlich fragen sollten.
Weshalb wir von ihr erwartungsvoll mit großen, strengen Augen angeglotzt wurden.
Zum krönenden Abschluss band sie sich einen Saron über ihre Kittelschürze um uns einen balinesischen Willkommenstanz vorzuführen.
Der war übrigens fast genauso spoky wie die Zeremonie vom Vortag, nur ohne Hühnchen.
Auch hier opferte sich die gute Mama fürs Team und kaufte uns mit einer großzügigen Spende, für die Tanzakademie, aus dieser misslichen Lage frei.
Die nächsten Tage blieben wir einfach am Strand und in der Nähe des Alkohol-Kühlschranks. ‘Schuster, bleib bei Deinen Leisten’.
4. Stopp: zurück nach Ubud
nach 5 Tagen Gaia Oasis und Tempel Terror ging die wilde Fahrt wieder Richtung Ubud.
Um noch mehr Dinge einzukaufen, die wir uns auf dem Hinweg gerade noch verkneifen konnten.
Dass bei der Shoppingtour irgendwas nicht ganz koscher war, das hab ich mir die ganze Zeit schon gedacht.
Denn fast jede Verkäuferin nahm das Bündel Geld, das wir ihr in die Hand drückten, lief damit durch den Laden und klopfte es wild gegen ihre Auslagen.
Später hab ich Google mal gefragt, was das bedeutet.
Und
Google hat es mir verraten:
Danke lieber Gott, dass Du mir diese Idioten geschickt hast, schick mir bitte noch mehr von der Sorte, die den anderen Scheiss für genauso viel Geld kaufen!
Wie gut, dass am Ende der Geschäftsstraße die ganzen Fabriken stehen, wo wir unsere „Bali-Hand-Made“ Unikate für ein Zehntel des Ladenpreises hätten mitnehmen können.
Ganz legal, in großen Mengen, direkt ab Fabrikverkauf.
Schade nur, dass wir das erst nach unserer Shoppingtour bemerkten.
5. Stopp: mit dem Auto durch Canggu
Wie heißt es bei uns im Saarland doch gleich?
„Das Gegenteil von gut – ist gut gemeint.“
Das triff wahrscheinlich auch auf den Enthusiasmus zu, mit dem ich ein Auto für unseren letzten Tage in Canggu gemietet hatte.
Berauscht von meinen Erfolgen auf dem Roller, hab ich doch glatt vergessen, dass ich gar nicht Auto fahren kann!
Mama hat’s aber direkt gemerkt. Der Fuchs, ihr macht doch niemand was vor.
Nur weil ich – mal kurz – vergessen hatte wie man so ein Auto anmacht.
Zu meiner Verteidigung: es war ein Automatikgetriebe, da kann das ja wohl mal passieren, oder?
Danach wollte sie mich aber gar nicht mehr fahren lassen, sondern hat das Steuer lieber selbst in die Hand genommen.
“Mama, was ist los? Du guckst so komisch?“
„Ach, ich hab Angst hier mit dem Auto zu fahren“
„Macht nix, Mama, dann fahre ich eben!“
„Dann hab ich ja noch mehr Angst“
Letztendlich haben wir das Problem aber meisterhaft gemeinsam gelöst.
Sie hat die schweren Sachen gemacht:
Auto anmachen, drehen und parken.
Und ich bin zwischen meinen balinesischen Kumpels rumgefahren, die alle genauso viel Ahnung von den Verkehrsregeln haben wie ich.
Wir verstehen uns da. Denn es ist nämlich ganz einfach und das Beste, ich muss mir hier auch nicht so viel Zeug merken.
Eigentlich nur drei Sachen:
Vorfahrtsregel:
Wenn man an eine Kreuzung kommt, hupt man.
Wer zuerst hupt fährt zuerst.
Signale:
Willst du rechts abbiegen, blinkst du rechts.
Willst du links abbiegen, blinkst du links.
Willst du gerade aus über die Kreuzung, dann machst du die Warnblinkanlage an.
Und wenn Du nicht mehr weiter weißt: immer hupen.
Wir haben es übrigens geschafft und das Auto weder demoliert, noch jemanden umgefahren.
Bääämmmm….in ya face! – so macht man das.
Am Ende
…bleibt mal wieder zu festzustellen, dass man das Jahr über einfach viel zu wenig Zeit miteinander verbringt.
Da geht’s ja nicht nur mir so, weil ich am anderen Ende der Welt arbeite.
Dir gehts vermutlich genauso.
Keine Zeit, nicht jetzt, ein andermal, später…
Aber: time is running…
und wir wissen nicht, wie oft wir die Möglichkeit dazu haben werden.
Mama und ich haben uns deshalb versprochen, ab jetzt jedes Jahr so einen schönen Urlaub miteinander zu verbringen.
Barbara says
Liebe leenah
Ich muss immer noch schmunzeln. Wenigstens ein Urlaub, der Mama nicht so schnell vergessen wird!! Aber toll geschrieben….
Bali geht aber auch anders ohne sich in solche “Gefahren” zu begeben, naja ausser die Strasse über die Berge!
Leenah says
Hallo Barbara 🙂
Freut mich, dass ich Dich zum Schmunzeln gebracht habe 😉
Natürlich hab ich alles, wie meistens, etwas überspitzt dargestellt. Zu Entertainment Gründen…denn wenn ich nicht selbst über mich lache, na wer macht es denn sonst?
Uns hat Bali wahnsinnig gut gefallen, und nachdem Mama jetzt wieder nach Hause gekommen ist (ohne Liegendtransport), wollen sie plötzlich alle nach Bali!
Liebe Grüße von der Insel der Götter,
Lena
Anna says
Ach Lena…
Ich bin immer noch am lachen…du hast es wieder geschafft, wie immer….wenn man erstmal anfängt deine Geschichten zu lesen, kann man nicht mehr aufhören und bekommt Lust auf …mehr..
Ich stelle mir das alles immer bildlich vor…besonders der Urlaub von euch zwei…*LOL*
Drück dich ganz lieb… <3
Leenah says
Haha…ja, wir haben alles gegeben!
Kennst uns ja, keine halben Sachen!
Küsschen!
Cora says
Lena, ich liege gerade auf der Couch und halte mir den Bauch, der weh tut vom Lachen! Und Markus neben mir, der mich nur fragend anschaut… 🙂 Aus irgendeinem Grund habe ich diesen Post jetzt erst gesehen und wieder einmal ist er total genial geschrieben. Danke für diese tollen Bali-Eindrücke und Deine Geschichten!
Viele Grüße
Cora
Leenah says
Liebe Cora,
vielen herzlichen Dank!
Freue mich immer über positives Feedback und wenn ich jemanden mit meinen (öfters ja auch peinlichen) Aktionen zum Lachen bringen kann 🙂
Liebe Grüße
Lena