„Mein Name ist Lena. Ich bin Tauchlehrerin.“
Spätestens nach dieser Aussage habe ich die Aufmerksamkeit meiner Zuhörer sicher. Und im folgenden werde ich gnadenlos ausgefragt.
“…Wo man denn schon überall gearbeitet hat, wie lang man das überhaupt machen kann? Und doch sicher auch nicht für ewig? Wieviel man denn da eigentlich verdient? Naja, und Familie möchte ich ja sicherlich nicht, oder etwa doch und was dann?
…”
Ganz offenkundig werden sämtliche mitteleuropäischen Höflichkeitsnormen der kultivierten Gesprächsführung augenblicklich außer Kraft gesetzt, sobald man seinem Gegenüber die drei magischen Worte „ich bin Tauchlehrerin“ geäußert hat.
Anfangs dachte
ich, man gewöhnt sich dran. Heute weiß ich: nein, man gewöhnt sich nicht daran.
Tatsächlich halten auch wir es genau so wie der Rest Deutschlands, auch wir möchten nicht jedem Mitreisenden im Zug Auskunft über unseren Kontostand geben.
Fair enough, dem Job haftet natürlich etwas Abenteuerliches an, und vermutlich schwingt auch der geheime Wunsch des ein oder anderen in diesen Fragen mit, der selbst lieber sein bürgerliches Leben hinter sich ließe und das tun würde, was ihm wirklich Spass macht.
Aber unter uns: der Job ist viel weniger aufregend, als gemeinhin angenommen. Im übrigen ist er auch längst nicht so brotlos.
Mein liebstes Beispiel für derartige Missverständnisse ereignete sich im letzten Sommer, in einer bekannten deutschen Clubanlage.
Ich saß mit mehreren, mir unbekannten Gästen, an einem Tisch im Restaurant und schaufelte zwischen dem täglichen Smalltalk meinen Nachtisch in mich hinein.
„Und was machst Du so im richtigen Leben?“
…bäm(!)…da war sie. Unser aller Lieblingsfrage. Resigniert schob ich die Reste meines Schokoladenkuchens von mir- der angenehme Teil des abends war soeben beendet.
„Das ist mein richtiges Leben“ antwortete ich genervt und schob ein Grinsen hinterher um wenigstens halbwegs höflich zu wirken.
„Ahhhhhhhhhhh“ kam es langgezogen von der anderen Seite des Tisches. Ein kurzes Schweigen. Leider hatte meine semi-diplomatische Antwort nicht ausgereicht um der geweckten Neugier meiner Tischnachbarin einen Dämpfer zu versetzen, der wenigstens so lange anhält, bis ich einen geeigneten Fluchtweg aufgetan hatte.
„Hast du das denn gelernt? Tauchlehrer?“
….Nein- ich konnte meine Hotelrechnung nicht bezahlen und deshalb haben sie mich da behalten und in den Pool gestellt…
„Ja, das ist eine Ausbildung“, antwortete ich wortkarg.
„Aha….hmmmm….und warst Du denn auch mal in einer Schule, oder bist du schon als Kind getaucht?“
„Ich war mal in einer Schule, dort habe ich Abitur gemacht. Anschließend habe ich Geschichte und Germanistik an der Universität studiert, inklusive eines Aufbaustudienganges in Deutsch als Fremdsprache. Und nach meinem Abschluss habe ich mich entschieden, dass ich mein Leben am liebsten unter Wasser verbringen möchte“
So oder so ähnlich sehen im übrigen die Lebensläufe vieler Kollegen aus. Wir haben uns einfach dazu entschieden unserer Leidenschaft zu folgen, unser Hobby zum Beruf zu machen.
Daher arbeiten wir mindestens 6 Tage pro Woche, leben dauerhaft in Hotels und verbringen unseren Feierabend damit unseren Tischnachbarn zu erklären, dass wir weder Analphabeten noch kiffende Alkoholiker und schon gar keine gestrandeten Obdachlosen sind.
Die meisten unwissenden Gesprächspartner suchen nach dieser Auskunft das Weite. Doch ich hatte hier ein Modell des unverbesserlichen Gastes vor mir sitzen, die es ach so gut mit uns meinen und immer noch einen draufsetzen müssen.
„Das geht aber nicht! Zumal mit so einem Studium- du musst doch was Richtiges machen!“
Da hilft nur ruhig bleiben.
„Hmm verstehe. Ich sollte an meiner Karriere arbeiten, damit ich einen guten Job bekomme…“
mein Gegenüber nickt lächelnd
„…und dann hart und viel arbeiten, damit ich auch zu Geld komme…“
meine Tischnachbarin fühlt sich endlich verstanden und nickt aufgeregt
„…damit ich mir von dem Geld dann ein, vielleicht sogar zwei Tauchurlaube pro Jahr in so einem Hotel wie diesem hier leisten kann…“
„Genau!“ pflichtet sie mir bei.
„Hmm, mag sein, aber derzeit sehe ich da keine Notwendigkeit. Ich bin sowieso während des ganzen Jahres hier.“
Weil das Leben zu kurz ist um auf den nächsten Tauchurlaub warten zu müssen. Tauchlehrer war keine Notlösung sondern eine bewusste Entscheidung.
Liebe Urlauber, glaubt es uns, wir warten nicht mangels Alternative auf Euch am Strand, wir tun es gerne und freuen uns immer wieder einem von Euch unsere Leidenschaft, den Tauchsport und das Meer näher zu bringen.
Immer gut Luft,
Eure Lena
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